Die Woche fing ganz harmlos an. Sicher, es ist immer was los, mal ein Hund hier, ein Telefonat dort, zwischendurch eine VK, alles völlig normal. Zwei unserer Schützlinge mussten geröntgt werden, der eine hat unsere Befürchtungen noch übertroffen, das Ergebnis ist ziemlich niederschmetternd. Dafür war es bei dem anderen Schützling besser als erwartet, „nur“ ein alter Bruch, einhergehend mit einer Verkürzung des Beinchens. Nichts dramatisches, ist halt keine Hund für die 3. Etage und Agility sollte man tunlichst auch unterlassen.

Donnerstag kommt ein Notruf, es müssen gleich vier Hunde untergebracht werden. Sie leben im Harz und können dort nicht bleiben. Ach, denkt die Verfasserin dieses Artikels, wenn es mehr nicht ist… alles easy, das wuppen wir doch mit links. So, nun schalte ich die Ironie wieder aus. Ich möchte hier nicht mit Details langweilen und kürze einfach mal ab. Platz gefunden, Hundis suchen dann demnächst ein neues Zuhause.

Dann kommt der Freitag. Gegen 17:45 bin ich auf dem Weg vom Büro zum Hort, unsere Hunde abholen. Ich freue mich auf den Abend, wir sind mit lieben Freunden verabredet und wollen entspannt in das Wochenende starten. Ich fahre verträumt durch die Strassen, Wetter toll, alles gut. Dann sehe ich einen Hund, braungelocktes Fell, steht völlig alleine und ziemlich verloren auf dem Gehweg. Ihr könnt es euch denken – ich biege ab, parke den Wagen, schnappe mir eine Leine und versuche, den Hund anzulocken. Es gelingt, die Gefahr, das er auf die Fahrbahn läuft, ist gebannt. Mir kommt eine Frau mit ihrer Tochter entgegen, ich frage, ob das ihr Hund sei. Sie verneint, sagt aber, sie hätte den Hund auch schon von weitem gesehen.

Es nähert sich eine männliche Person. Den Witterungsbedingungen angepasst mit T-Shirt und kurzer Hose. Sein Gang ist leicht schwankend, er gestikuliert wild. Bei uns angekommen -die Passantin mit Tochter ist Gott sei Dank bei mir geblieben- nuschelt er was von „das ist mein Hund, geben sie ihn sofort her“. Er ist schlecht zu verstehen und das liegt nicht nur daran, das in seinem Mund zumindest unten nur noch 2 Zähne zu sehen sind. Nö, der Gute hat ein bisschen was über den Durst getrunken, die Fahne weht über 2 Meter. Ich versuche, mich mit ihm zu verständigen und frage, ob er beweisen kann, dass es sein Hund ist. Da wird das Männlein körperlich, rückt mir auf die Pelle und versucht, mir den Hund zu entreissen. Der Hund macht keinerlei anstalten, zu ihm zu gehen und zeigt auch keinerlei freudige Reaktionen, im Gegenteil. Eine weitere männliche Person kommt über die Strasse gelaufen, die beiden sind wohl Kumpel. Er behauptet nun auch, der Besitzer des Hundes zu sein und fordert mich recht aggressiv auf, ihm den Hund sofort zu geben. Auch er kommt mir erheblich zu Nahe und schubst mich gegen eine Hauswand. Nun rufe ich die Polizei, heftiges Handgemenge, der zuletzt dazugekommene Herr bedrängt mich erheblich. Die Polizei ist noch in der Leitung und hört mit.

Bevor nun die Situation weiter eskaliert suchen die Passantin, ihre Tochter, der Hund und ich Schutz in einem Geschäft. Die sich dort aufhaltenden beiden Männer helfen uns und verhindern, dass es zu weiteren Handgreiflichkeiten kommt. Nach ungefähr 10 Minuten kommt ein Polizist auf dem Motorrad, lässt sich den Sachverhalt erklären und macht sich Notizen. Der 2. Herr und angebliche Besitzer behauptet nun, ich hätte ihn angegriffen und ihm mein Handy auf den Kopf gehauen. Habe ich nicht, hätte ich aber gerne. Der Polizist bringt ihn zur Ruhe, kontrolliert die Personalausweise von allen beteiligten Personen. Und tatsächlich, der 2. Herr hat eine Karte vom Ordnungsamt, auf der der Hund (oder ein Hund, aber er wird es schon sein) eingetragen ist. Der Polizist mit dem Motorrad ruft einen Streifenwagen und ordnet eine Alkoholkontrolle des Hundebesitzers an. Weitere Minuten verstreichen, wir müssen alle dort bleiben. Der Streifenwagen kommt, nach einigen vergeblichen Versuchen klappt es mit der Alkoholkontrolle. Der gute Mann hat einen Promillewert von über 5 (i.W. FÜNF). Da er sich für diesen Wert noch erstaunlich gerade hält und noch mehr oder weniger deutlich sprechen kann bleibt nur der Schluss, das er gut im Training ist. Traurig.

Bedauerlicherweise muss der Hund mit diesem Herrn nach Hause gehen. Traurig, mutlos und sich irgendwie in sein Schicksal fügend trottet er hinter ihm her. Der Halter bekommt die Auflage, sich an diesem Tag nicht mehr mit dem Hund draussen blicken zu lassen, mit seinem Promillegehalt ist er nicht in der Lage, einen Hund zu führen. Die Polizisten raten mir, mich an das Ordnungsamt zu wenden.

Ich bin ziemlich mitgenommen, mir tut der Hund total leid. Aber irgendwie das Herrchen auch. Der Mann ist  noch jung, gerade Anfang 40. Er sieht aus wie mindestens Mitte 50. Ich weiss natürlich nicht, wie er in diese Lebensform hineingerutscht ist. Auf jeden Fall wünsche ich ihm, dass er aus dieser Lebensform wieder rausfindet. Wird wohl ein frommer Wunsch bleiben.

Zu Hause angekommen, habe ich das Ordnungsamt sofort informiert. Ich muss einen schriftlichen Bericht schicken, damit das zuständige Team etwas in der Hand hat, Halter und Hund zu überprüfen. Das mache ich natürlich, fühle mich dem Hund irgendwie verpflichtet. Schauen wir mal, was draus wird. Elend in Deutschland.

Erklärung zum Foto: Ziemlich weit hinten sieht man die Passantin mit ihrer Tochter. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, an dem blauen Container, hielten sich die beiden Herren auf.

Fortsetzung folgt.