war ich besorgte Pflegemama für eine Elster.
Gestern, 16.09.2020, spielt sich direkt von unserem Haus ein Drama ab. Gegen 19:00h hört man lautes Gekreische, welches ich eindeutig (obwohl der Vogelkunde nicht wirklich mächtig) eindeutig den Elstern, die sich hier zahlreich tummeln, zuordnen kann. Ich habe auf der Strasse nachgeschaut, konnte aber nichts entdecken.
Der beste aller Ehemänner (meiner!) und ich hatten einen kurzen Abstecher zur Pizzeria geplant, als ich leider oder Gott sei Dank einen letzten Blick in die sozialen Medien warf. Dort war ich dann von einer lieben Kollegin markiert. Danke liebe Helga und das meine ich ernst. Nur dadurch war ich in der Lage, zu helfen. Eine andere Person hatte quasi direkt vor unserem Haus eine Elster entdeckt, die dort saß und nicht weggeflogen ist. Meine Kollegin hat das gelesen und mich im Beitrag markiert.
Pizza hin oder her – der Gatte und ich suchen die Gegend ab und mein Mann findet die Elster. Eng an eine Efeuwand gepresst sitzt sie, ihr Kopf war ordentlich gerupft, wahrscheinlich die Folge der lautstarken Auseinandersetzung. Sie bewegt sich nicht, macht keinerlei Anstalten, zu fliehen. Kurzerhand haben wir einen kleinen Transportkorb aus meinem Fundus herbeigeholt, eine dicke Lage Küchentücher hineingelegt und ich habe das arme Tier völlig heroisch mit einem Handtuch beworfen, um es zu fangen und zu sichern. Geglückt :-).
Und nun? Guter Rat ist teuer – ich bin relativ ahnungsbefreit im Umgang mit verletzten Wildvögeln. Und ganz ehrlich – die Elstern in der Gegend gehören nicht zu meiner favorisierten Tierart, sind sie doch auch immer eine Bedrohung für die Ringeltauben, die in unserem Garten ihren Nachwuchs großziehen.
Pizza muß warten, ich versuche, Hilfe zu bekommen. Einige Telefonnummern von Menschen, die helfen könnten, habe ich gespeichert, dort erreiche ich aber leider niemanden. Also die sozialen Netze bemüht. Bekomme einige Telefonnummern, unter denen ich zwar Menschen erreiche, leider können sie nicht helfen.
Elster ist gesichert, wir haben Hunger, ich warte auf Rückmeldungen auf meine zahlreichen Anfragen und so gehen wir dann doch noch schnell eine Pizza essen. Ich hasse es wie die Pest, wenn jemand im Restaurant ständig mit seinem Handy beschäftigt ist – gestern war ich es auch. Irgendjemand, ich weiß schon gar nicht mehr wer das war, gab mir den Namen einer vogelkundlichen Tierärztin in Düsseldorf. Ihr habe ich dann gestern Abend noch eine Mail geschrieben, mein Problem geschildert und meinen Anruf für den kommenden Morgen angekündigt.
Zurück zu Hause führt der erste Weg zum Vogel. Er sitzt ruhig in seiner Box und ich gehe mit leicht mulmigen Gefühl ins Bett.
Heute, 17.09., führt (natürlich) mein erster Weg zum Vogel. Er sitzt noch immer ruhig. Dann kümmere ich mich um die leeren Mägen unserer Tölen, quasi nebenbei befrage ich Google, wie man eine Elster füttert.
Wir öffnen dann den Transportkorb, in dem Herr oder Frau Elster sitzt und sie verspürt den starken Drang in die Freiheit. Kontrolle der Kopfverletzung, sieht eigentlich ganz gut aus, wenn man von der „Glatze“ absieht. Der Vogel hüpft aus der Box, macht ein paar Flügelschläge und sitzt auf dem Rasen. Hmmmh – ob das OK ist? Danach hüpft sie unter meine Hortensie und verschwindet dann in der Hecke. Tja, was tun? Ich beschließe, der Natur freien Lauf zu lassen und hoffe auf die Instinkte des Vogels.
Nach ca. 1 Stunde gehe ich in den Garten und finde die Elster am Rand unseres Rasens. Als ich mich nähere erfolgt kein Fluchtversuch, sie bleibt einfach sitzen. Ich interpretiere das mal – leicht vermenschlicht- als Hilferuf. Nehme die Elster hoch und setze sie wieder in die Box.
Danach bereite ich ein elsternkonformes Rührei zu. Auf einem kleinen Teller gemeinsam mit einer niedrigen Wasserschüssel bringe ich die Sachen in die Box. Danach telefoniere ich mit der Tierärztin und bekomme einen Termin um 17:30. Uih, das wird stressig. Die Hunde sind im Hort und müssen eigentlich bis spätestens 18:00h abgeholt werden. Das ist aber nicht zu schaffen, soviel ist schon klar. Aber die Menschen im Hort geben mir grünes Licht, die Hunde dürfen bleiben, bis ich vom Tierarzt zurück bin. Hier auch nochmal meinen riesengroßen Dank an Claudia und Alina.
Ich muss früher aus dem Büro weg, sonst schaffe ich es nicht, von Meerbusch bis Düsseldorf Garath zu fahren. Mein verständnisvoller Chef lässt mich gehen und drückt die Daumen für die Elster.
Und dann sind wir in der Tierarztpraxis angekommen. Ach so – mein Pflegevogel hat nicht oder wenn dann nur minimal gefuttert, dafür aber alles ordentlich vollgesch…. Ich lasse die Kloake aber in der Box, evtl. kann sie dem Tierarzt wertvolle Informationen geben.
Wegen der C-Krise darf ich bei der Behandlung nicht anwesend sein. Ich stehe aber direkt vor dem Behandlungsraum und höre „meine“ Elster lautstark argumentieren. Sie findet das wohl nicht so gut…. Das wiederum werte ich mal als Kompliment an mich – ich konnte sie anfassen, ohne dass sie auch nur den kleinsten Mucks von sich gegeben hat.
Nach ca. 15 Minuten kommt die Tierärztin zu mir. Ich erkenne sofort am Augenausdruck (der Rest des Gesichts ist hinter der obligatorischen Maske) und an ihrer Körperhaltung, dass sie keine guten Nachrichten hat.
„Meine“ Elster ist blind, die Vermutung liegt bei einer Netzhautablösung. Das hat sie nicht von Geburt an, dafür ist sie schon zu groß. Evtl. ist ein Virus dafür verantwortlich. Und nun? Eine blinde Elster kommt in der Natur nicht gut zurecht. Wir diskutieren, das ein Leben für ein solches, gehandicaptes Tier in einer Voliere, mag sie groß sein wie sie will, nicht erstrebenswert sein kann. Und da ich nunmal die Besitzerin der Elster, der ich im Anmeldebogen der Tierarztpraxis den Namen „Kojak“ gegeben habe, bin, muß ich eine Entscheidung treffen.
Nun ist Kojak im Elsternhimmel. Möge sie dort ihre (oder seine) Runden ziehen. Und vielleicht schaut sie mal zu uns herunter.
Ich habe Kojak beerdigt, gemeinsam mit einer Hortensienblüte und einer weißen Rose, aber ohne Lolly. Fand ich irgendwie passend.
Ich bin tieftraurig. Aber so ist das Leben – der Tod gehört nunmal zwingend dazu.
Kojak geht es jetzt besser!
Das stimmt liebe Claudia