„Gute Nacht – ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von Neuengland“. Dies ist ein elementarer Satz aus dem wunderbaren Roman von John Irving. Ein warmherziges Buch beschreibt die Odyssee eines ungewöhnlichen Lebens.

Der Leser dieses Beitrages wird sich nun fragen, was das mit Tierschutz zu tun hat oder wie eine Überleitung möglich ist. Nun, hier ist meine Sicht dazu.

Auch ich erlebe nahezu täglich Odysseen. Nicht meine eigenen, nein, nein. Ich werde eingebunden in die Lebensgeschichten mir bis dato völlig fremder Menschen. Von Menschen, die bei mir anrufen, um sich nach einem Hund zu erkundigen, dem sie in ihrem Leben gerne einen Platz einräumen möchten.  Und ehe ich mich versehe stecke ich drin in Geschichten, die mit meiner Tierschutzarbeit so gar nichts zu tun haben, die mich und vor allem den jeweiligen Hund nicht einen Millimeter weiterbringen. So höre ich mir an, dass der frühere Hund völlig identisch wie der aktuell suchende Tierschutzhund aussieht. Bekomme die Lebensgeschichte frei Haus geliefert, werde in Dinge eingeweiht, die mich überhaupt nichts angehen und die ich gar nicht wissen möchte.

Da meldet sich eine Interessentin für einen Hund, der beschrieben wird mit „absolut nicht leinenführig“ und die lt. eigener Aussage alle Berichte zum Hund genau gelesen hat. Ist das erste Gespräch noch vielversprechend, folgen anschließend einige Telefonate die mich tatsächlich zweifeln lassen, ob es hier noch um den Hund geht oder jemand einfach nur einen geduldigen Gesprächspartner sucht. Nun, ich bin noch relativ neu in der Szene, noch nicht so erfahren und auch noch nicht abgebrüht genug, um Gespräche mit einem solchen Verlauf freundlich, aber bestimmt abzubrechen. So treffe ich eine Verabredung mit eben dieser Interessentin, hole sie mangels eigenem Auto auch noch ab. Mich trifft der Schlag, als die Dame mit einer Gehhilfe vor mir steht. Eine Gehhilfe, die sie laut eigener Aussage auch immer benötigt. Wie soll das bitte funktionieren mit einem grossen, kräftigen Hund, der nicht leinenführig ist? Wie schon beschrieben bin ich (oder war ich zu dem Zeitpunkt) noch nicht abgebrüht genug, fahre mit der Dame trotzdem zum Hund und wir gehen eine Stunde spazieren. Eine Stunde hat 60 Minuten. 45 davon höre ich mir an, mit wem die Dame sich schon alles angelegt hat „na, dem hab ich es aber gegeben“. Jugendgeschichten, Geschichten vom vorhergehenden Abend mit reichlich Knoblauchgenuss, eindeutig 2 Gläsern Wein zu viel (die wünschte ich mir in dem Moment ehrlich gesagt auch). Ich bin ein höflicher Mensch, habe die Dame brav wieder zum Ausgangspunkt zurückgebracht und ihr ein schönes Wochenende gewünscht. Ich habe von ihr nie wieder etwas gehört und das ist auch gut so.

Oder die Interessentin, die einem alten Hund ein Zuhause geben möchte. Viele Mails gehen hin und her, ich bin wirklich begeistert, sie erzählt von ihrer Hundeerfahrung, welche Hunde sie schon hatte und was sie alles unternimmt. Einen Tag vor dem verabredetem Treffen kommt eine Absage, das Auto muckt. Na gut, kann passieren, Termin um eine Woche verschoben. In Frage kommender Hund hat mittlerweile ein Zuhause gefunden, die Interessentin bietet sich als Pflegestelle an. Prima, machen wir einen Termin zur Vorkontrolle aus. Eine Woche nichts gehört, dann kommt eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit, da ihr die Wohnung gekündigt wurde (zum Ende des Jahres) und sie sich jetzt erst einmal darum kümmern muß. Kein weiterer Kommentar.

Ein Herr aus der Nähe von Berlin meldet sich. Er möchte so gerne Hund xy adoptieren, seit sein Hund  im vergangenen Jahr verstorben ist, ist er so einsam und ohne Hund geht es nicht. Das verstehe ich gut. Mittlerweile weiß ich, wo seine Mutter lebt, das seine Patentante geschieden ist, er sie aber demnächst mit dem Zug besuchen möchte und dann quasi bei mir vorbeifährt. Als ich eine Einladung erhalte, ihn doch mal zu besuchen, werde ich stutzig. Was mache ich hier – Ball der einsamen Herzen oder was?

Für einen Rhodesian Ridgeback Mischling wird dringend eine neue Familie gesucht, die jetzige kommt überhaupt nicht mit dem Hund klar. Es meldet sich ein Herr bei mir. Hatte selber schon RR und kennt sich aus. Ich erfahre alles über seine Vorstellung von Hundeerziehung (er war bestimmt Oberbefehlshaber einer Sondereinsatztruppe der Bundeswehr, mein Kopfkino zeigt ihn mir mit stolz geschmückter Ordensbrust).  Nebenbei bekomme ich einen exakten Überblick seines geplanten Umzuges, Details über Küchenplanung und Farbe des Teppichs bleiben mir Gott sein Dank erspart. Er meldet sich wieder… Ja klar, im nächsten Leben oder wie?

Ich könnte unzählige solcher Geschichten erzählen. Seit ich intensiv im Tierschutz unterwegs bin, habe ich sehr, sehr viele Menschen kennengelernt. Viele, die wirklich ernsthafte Absichten haben,  tatsächlich helfen möchten und es dann auch tun. Menschen, mit denen ich heute befreundet bin, die mein Leben bereichern. Dafür bin ich sehr dankbar. Und eben die andere Seite des Mondes, die kenne ich jetzt auch.

Liebe Menschen da draussen, die ihr einsam seid und einen Gesprächspartner braucht. BITTE – lasst die Tierschützer außen vor. Es gibt Therapeuten, Seelsorger, Domian, karitative Einrichtungen, die sich mit Kußhand um euch kümmern. Aber BITTE – ruft keine Tierschützer an. Wir arbeiten hart, geben uns viel Mühe, setzen uns ein mit unserer Zeit und auch mit unserem Geld. Die meisten von uns haben einen Vollzeitjob, eine Familie, eigene Tiere, die Tierschutzarbeit wird in der knapp bemessenen Freizeit erledigt.

Nach wie vor möchte ich höflich sein im Umgang mit Interessenten. Wenn das aber so weiter geht wundert euch nicht, wenn ich bei einem Telefonat mit einem solchen Interessenten direkt zu Beginn die Frage stelle: Suchen Sie wirklich ein Tier oder haben Sie einfach nur Langeweile?

Und jetzt komme ich zurück zur Überschrift und zum ersten Satz dieses Beitrages: Tiere sind Gottes Werk, die Menschen, die uns die Zeit rauben, den verlassenen und hilflosen Tieren zu helfen, sind Teufels Beitrag.

Und um evtl. Kritikern dieses Artikels den Wind aus den Segeln zu nehmen: Ja, ich habe durchaus philanthropische Züge. Ich bin gerne behilflich, mit Rat, Tat und auch einem offenen Ohr. Ich bin aber nicht Mutter Theresa und auch nicht verantwortlich für das Elend dieser Welt und eines Einzelnen. Ich setze mich für Hunde ein, weil sie sich im Gegensatz zu den meisten Menschen nicht selber helfen können.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine gute Nacht – ihr Prinzen von Maine und Könige von Neuengland. Prinzessinnen und Königinnen natürlich auch.