… nahm ihren Anfang am Montag, 23.03.2015. Nachdem ich unsere Hunde im Hort abgeliefert habe, lief mir ein brauner, etwa kniehoher Hund fast in mein Auto. Die Leine flatterte hinter ihm her, als er im hohen Tempo über eine, vor allem um die Uhrzeit, stark befahrene Straße raste. Obwohl ich sofort angehalten habe und in die Richtung gelaufen bin, in die er rannte, habe ich ihn nicht gefunden. Habe einige Passanten angesprochen, aber niemand hatte ihn gesehen. Hoffe sehr, dass ihm nichts passiert ist und er unbeschadet wieder nach Hause gekommen ist.
Dann erhielt ich den Anruf einer älteren Dame. Sie bat um Hilfe bei der Vermittlung ihres 10jährigen Schäferhundes. Sie müsse am Mittwoch, 25.03. ins Krankenhaus. Man hatte ihr wohl einen Platz für den Hund angeboten, dann aber das Angebot doch zurückgezogen und sie war in großer Sorge um den Schäferhund. Zum Schäferhund gehört eine kleine, 7jährige Jack Russel Hündin, für sie sei aber gesorgt.
Ich bat die Dame um Fotos und eine genaue Beschreibung des Hundes, damit ich einen Hilfeaufruf starten kann. Hat sie sofort erledigt, wenig später ging das durch den Tierschutzverteiler.
Dienstag, 24.04.
Erneuter, morgendlicher Anruf der Dame. Nachfrage, ob ich schon etwas erreichen konnte, was ich verneint habe. Sie erklärt nun etwas deutlicher, wie ernst die Lage ist. Sie ist sehr ernst, sehr sehr ernst sogar. Die Dame ist unheilbar erkrankt und erklärt mir, sie würde das Krankenhaus wohl nicht mehr verlassen und für den unwahrscheinlichen Fall, dass das doch der Fall wäre, sei sie auf keinen Fall in der Lage, die Hunde auszuführen. Ich habe einen Kloß im Hals und sage zu, mich mit Hochdruck darum zu kümmern.
Kurz nach 11:00 erhalten wir im Büro die Nachricht vom Absturz der Germanwings-Maschine. Große Betroffenheit breitet sich bei uns aus. Bei mir zunächst noch verhalten, ich habe viel zu tun an dem Tag, ich muss so etwas beiseite schieben. In unseren Büroräumen wird die Stille immer größer, wir alle versammeln uns rund um das Radio, Live-Chats werden verfolgt. Irgendwann am Nachmittag kommt diese furchtbare Realität auch bei mir an.
Abends hole ich wie immer unsere Hunde ab und nehme den Labrador einer Freundin mit. Sie ist am Vormittag am Flughafen gelandet und berichtet von der schrecklichen Situation am Düsseldorfer Flughafen, dort sollte die Maschine von Germanwings landen. Die Abholer der Fluggäste, also Freunde, Eltern, Geschwister, Bekannte wurden von Reportern umlagert und bedrängt. Es muss grausam gewesen sein, wie die Reporter sich ohne Rücksicht auf das Elend all dieser Menschen auf sie gestürzt haben. Alles für die Auflage und die Quote.
Gegen 19:00 bin ich zu Hause. Erneutes Telefonat mit der älteren Dame. Nun offenbart sich mir die ganze Tragweite. Die Dame wird nicht mehr zurückkommen, wohin auch immer sie geht. Sie bittet mich um meine Anschrift mit den Worten: „Sie sollen dann Post bekommen. Das ist Post, die nicht per Mail verschickt wird“. Ich brauche ein paar Sekunden, um das zu verstehen, irgendwie ist mein Hirn in einer Wolke. Und dann, eine kleine Weile später, kommen mir die Tränen. Dieser Flugzeugabsturz, das Telefonat mit der Dame und ihr quasi erklärter Abschied, das ist sogar für mich etwas viel.
Ich wechsel an diesem Abend noch einige Mails mit der Dame und verspreche ihr, mich um ihre Hunde zu kümmern und alles daran zu setzen, damit es ihnen gut geht und sie beruhigt gehen kann. Bis Mittwoch, 10:00h, könne ich die Dame noch erreichen, sagt sie, danach nicht mehr. Ich erhalte eine Telefon-Nr. einer Bekannten von ihr, sie wird sich in den nächsten Tagen um die Hunde kümmern und sie bei sich aufnehmen.
Im Zeitraffer: Unser Telefon steht nicht still, ich versuche, einen Platz für die beiden Hunde zu finden. Es gelingt. Da mir gesagt wurde, die Hunde seien zunächst bei der Bekannten untergebracht, die Rede war von ca. 1 Woche, existiert kein soooo großer Zeitdruck. Meine Freundin, die die Hunde aufnimmt und ich vereinbaren, dass ich die beiden am Wochenende zu ihr bringe. Ziemlich erledigt falle ich in’s Bett.
Mittwoch, 25.03.
Um 08:15 telefoniere ich mit der Bekannten der Dame. In dem Telefonat erfahre ich, dass sie sich zwar um die Hunde kümmert, sie aber eigentlich nicht bei ihr bleiben können und sie sich auch schon um einen anderweitigen Platz bemüht. Das ist mal eine feine Überraschung, ich bin bis zu diesem Moment davon ausgegangen, die Hunde am Samstag abzuholen. Aber bevor die Hunde, die die merkwürdige Stimmung, das Abschied nehmen ihres Frauchens und die damit verbundene Trauer sicher bemerkt haben, von Hand zu Hand weitergereicht werden, muss eine Lösung her. Ich rufe meine Freundin an und berichte von der neuen Sachlage. Alle Pläne werden umgeschmissen, die Hunde können also heute noch umziehen.
Ich informiere die Bekannte, wir verabreden die Abholung gegen 18:00. Die Hunde wohnen nicht um die Ecke, ich muss ein paar wenige Kilometer fahren, an dem Abend so um die 400. Ich bin fast pünktlich vor Ort, die Hunde und die Bekannte noch nicht, kommen aber kurz nach mir an. Und dann erfahre ich, wie akribisch die ältere Dame alles geplant hat. Ihre Wohnung wurde noch an diesem Tag ausgeräumt, sie hat sämtliches Hundezubehör fein säuberlich zusammengepackt. Sogar die Näpfe sind beschriftet, genaue Anleitungen, wann wer was zu fressen bekommt, befinden sich auch dabei. Mir ist gruselig bei dem Gedanken, was in dieser Dame alles vorgegangen ist.
Eine Weile später sind die Hunde im neuen Zuhause angekommen. Sie sind ein bisschen durcheinander, das kann man ihnen auch wirklich nicht verdenken. Aber sie sind zusammen, liegen eng beieinander und verbringen eine ruhige Nacht.
Donnerstag, 26.03.
So langsam geht alles „back to normal“. Den Hunden geht es gut, ich bin müde, aber mein Zahnarzttermin um 19:30 rüttelt (man beachte die Doppeldeutigkeit) mich wieder wach:-)
Freitag, 27.03.
Den Hunden geht es immer noch gut, beide bekommen jetzt ein Abspeckprogramm verordnet. Der Schäferhund darf locker 15kg abnehmen, wenn das reicht. Er hat HD, jedes Gramm zuviel schadet seinem Bewegungsapparat. Die kleine Hündin hat momentan auch nichts, was nur annähernd an Taille erinnert. Und der Frühling naht, so geht das doch nicht 🙂
Eine erste Interessentin hat sich gemeldet, wir schauen mal, wie das weitergeht.
Ich gehe dann jetzt ins Wochenende. Bitte arbeitsfrei, wenn es geht. Naja, eine Vorkontrolle ist angesagt, aber das läuft so nebenbei.
Alle Ereignisse zusammengenommen veranlassen mich, mal wieder an die Basics zu denken. Es ist nicht wichtig, ob ich morgens die passende Bluse zum Rock finde, ich trage ja sowieso lieber Hosen. Es ist auch nicht wichtig, die Haare schön zu haben. Oder das die Kerzen farblich zur Gardine passen. Wichtig ist, jeden Tag bewusst zu erleben, zu genießen, sich einzusetzen für diejenigen, denen es nicht so gut geht. Und wichtig ist, zueinander zu stehen, enger zusammenzurücken. Und positiv zu denken. Lasst es uns tun. So, nicht anders.
In diesem, sehr nachdenklichen Sinne sende ich liebe Grüße
Traurig, rührend und bewundernswert.
Ein toller Schlusssatz!
Genauso müssen wir denken.
Umarme dich.
Helmut